Am Berufungsort

Die Reportage vom Einsatz für Menschen

Telemedizin: Brauchen wir wirklich noch (Not-)Ärzte vor Ort? (2/2)

13.02.2025 28 min

Zusammenfassung & Show Notes

🚀 Medizin im All & am Boden: Wie Telemedizin Leben rettet 🚀
In Teil 2 dieser Episode von Am Berufungsort nehmen wir euch mit auf eine Reise von der Raumfahrt bis in den Rettungsalltag. Wie funktioniert medizinische Versorgung, wenn kein Arzt vor Ort ist? Was können wir aus der Raumfahrt für die Notfallmedizin lernen? Und welche Zukunft hat der Telenotarzt in Österreich?
🔹 Zu Gast:
  • 🛰️ Franz Viehböck – Österreichs einziger Astronaut spricht über Telemedizin an Bord der Raumstation MIR und welche medizinischen Lösungen in der Raumfahrt entwickelt wurden.
  • 🚑 Bernd Schreiner – Chefarzt des Roten Kreuzes Niederösterreich gibt spannende Einblicke in vier Jahre Telenotarzt-Einsatz: Was funktioniert, wo gibt es Grenzen und wie können wir Telemedizin noch besser nutzen?
  • 🔬 Monika Stickler – Stellvertretende Bundesrettungskommandantin des Roten Kreuzes über die Zukunft der Telemedizin: Wie kann Technologie den Rettungsdienst und die Katastrophenhilfe revolutionieren?
🎙️ Themen dieser Folge: ✅ Telemedizin in der Raumfahrt: Wie Astronauten medizinisch versorgt werden
✅ Der Telenotarzt beim Roten Kreuz Niederösterreich – Erfahrungen und Herausforderungen
✅ Kommunikationskompetenz: Warum sie für den Telenotarzt-Einsatz entscheidend ist
✅ Zukunft der Teleanwendungen – von der Hauskrankenpflege bis zum Stressmonitoring für Einsatzkräfte
✅ Datenschutz & Ethik: Wie kann man Technologie sinnvoll und verantwortungsvoll nutzen?
🎧 Bonusfolge:
Hört euch unbedingt unser exklusives Interview mit Franz Viehböck an! Er erzählt detailliert über seine medizinischen Experimente auf der Raumstation MIR. 🔗 https://podcast.n.roteskreuz.at/episode/bonusfolge-medizin-im-all-mit-astronaut-franz-viehboeck
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Folgt uns für mehr spannende Einblicke hinter die Kulissen des Roten Kreuzes Niederösterreich! 🚑🎙️

In dieser Folge von Am Berufungsort tauchen wir in die spannende Welt der Telemedizin ein. Wir sprechen über innovative Ansätze, wie Technologie Leben retten kann, und begleiten unsere Expert:innen und Einsatzkräfte auf ihrer Reise in eine digital unterstützte Zukunft.
Themen dieser Folge:
  • Was ist ein Telenotarzt und wie funktioniert die telemedizinische Unterstützung im Rettungsdienst?
  • Ein Blick hinter die Kulissen: Wie die Telemedizin Einsatzkräfte im Alltag unterstützt.
  • Wie Telemedizin in der Raumfahrt entwickelt wurde – Interview mit Franz Viehböck.
  • Die Zukunft der Telemedizin: Projekte zur Unterstützung von Einsatzkräften und Monitoring in Katastrophenfällen.
Ein besonderer Dank gilt:
  • Ingeborg Jakubuff für ihre Expertise.
  • Tao Bauer von Klangdesign für das Sounddesign
  • Denise Pavlik und der Juhuuu Factory für ihre Unterstützung.
  • Thore Zaradnicek für den einzigartigen Soundtrack.
Kontakt:
Für Fragen, Feedback und Anregungen erreicht ihr uns unter: socialmedia@n.roteskreuz.at
Bleibt dran und seid gespannt auf weitere Folgen von Am Berufungsort! 🎧

Transkript

Medea Thiery
00:00:06
Der Weltraum. Unendliche Weiten. Seit 1961 fliegen Menschen ins All. Sie sind fasziniert von den Sternen und der Schwerelosigkeit. Hoch über der Erde, abgeschnitten von der Welt, müssen sie in einer lebensfeindlichen Umgebung überleben. Dafür braucht es viele Maßnahmen. Vor allem eine gute medizinische Versorgung. Sie ist der Schlüssel zum Erfolg.
Florian Schodritz
00:00:29
Doch wie funktioniert das, wenn kein Arzt in der Nähe ist? In der Raumfahrt musste man sehr frühe Lösungen finden, um Astronauten aus der Ferne medizinisch zu versorgen. Die Antwort? Telemedizin.
Medea Thiery
00:00:40
Franz Viehböck, Österreichs einziger Astronaut, gibt uns heute Einblicke in die medizinische Versorgung im All. Von den Anfängen der Telemedizin bis zu den Technologien, die uns heute auf der Erde helfen. Auch 1991 bei der österreichisch-sovietischen Raumfahrtmission Austromir war Telemedizin schon Standard.
Franz Viehböck
00:00:57
Was wir natürlich nicht gemacht haben, ist, dass man sozusagen die Telemedizin hier ins Extremste treibt und Operationen oder sowas durchführt.
Florian Schodritz
00:01:06
Doch Teleanwendungen stehen nicht still. Monika Stickler, stellvertretende Bundesrettungskommandantin beim Roten Kreuz, wagt einen Blick in die Zukunft. Welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich? Welche Herausforderungen gilt es zu meistern?
Monika Stickler
00:01:20
Also ich glaube, da gibt es ganz viele Möglichkeiten zur Entwicklung. Jetzt denken wir nur an die Hauskrankenpflege zum Beispiel.
Medea Thiery
00:01:26
Und wie funktioniert das in der Praxis? Bernd Schreiner spricht über vier Jahre Telemedizin beim Roten Kreuz NÖ. Er erzählt von Erfolgen, Bedenken und Kritik und beantwortet die Frage, was braucht es, damit der Telenotarzt wirklich erfolgreich ist.
Berndt Schreiner
00:01:40
Ich glaube, es geht um Kommunikation. Also es geht für den Kollegen vor Ort darum, wie kann ich strukturiert die Geschichte dem Telenotarzt jetzt erklären und auch zu einer Frage kommen.
Florian Schodritz
00:01:53
Mein Name ist Florian Schotritz.
Medea Thiery
00:01:56
Ich bin Medea Thiery und wir begeben uns auf Spurensuche. Von der Raumfahrt bis in den Rettungsalltag. Willkommen zu einer neuen Folge am Berufungsort.
Florian Schodritz
00:02:07
1991 flog Franz Viehböck im Rahmen der Austro-Mir-Mission zur Raumstation Mir und wurde damit zum ersten und bislang auch einzigen Österreicher im All. Und ich hatte die große Ehre, bei ihm Platz nehmen zu dürfen. Meine wichtigste Frage an ihn war, wie geht man im Weltall zum Arzt?
Franz Viehböck
00:02:24
Im Weltall ist sozusagen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arzt an Bord ist, gering. Das ist durchaus gegeben. Es kann schon sein, dass einer der Crewmitglieder ein Arzt oder eine Ärztin ist, aber im Normalfall wahrscheinlich nicht. Und dann muss man sich selber helfen, beziehungsweise man kommuniziert natürlich laufend immer mit der Bodenstation, wo ein entsprechendes Ärzteteam vorhanden ist. Und das ist dann so, ich sage einmal, im Normalfall, wenn es keine Krankheiten oder was gibt, wird man ja auch laufend untersucht und überprüft. Man muss täglich trainieren, Muskeltraining, Kreislauftraining, um der Muskelatrophie entgegenzuwirken. Und bei diesen regelmäßigen Trainings, und es gibt auch regelmäßige Check-Ups, da muss man sich halt Elektroden anpicken und so weiter, Blutdruck hin und her. Das wird dann natürlich von der Bodenstation, von den Ärzten auch entsprechend kontrolliert und überprüft. Und wenn da alles normal ist, dann wird halt gesagt, man muss halt schauen, vielleicht ein bisschen mehr essen, ein bisschen weniger essen, ein bisschen mehr trainieren, ein bisschen weniger trainieren, solche Sachen. Wenn es was Ernstes ist, also wenn man wirklich krank wird, dann konsultiert man mit der Bodenstation und versucht halt hier, entsprechend Heilungsvarianten zu überlegen und dann umzusetzen. Und das geht eigentlich in der Regel sehr gut.
Florian Schodritz
00:04:00
Das heißt, Sie waren ja von den Vitalparametern überwacht. Hat man da irgendwie Elektroden die ganze Zeit um oder nur im Fall einer Konsultation oder wie ist das abgelaufen?
Franz Viehböck
00:04:11
Also in meinem speziellen Fall war es auch insofern, ich war ja relativ kurze Zeit und ich habe sehr viele Experimente gemacht, wo auch selber Vitalparameter gemessen wurden. Das heißt, da musste man jetzt nicht noch einmal messen, weil das haben die gehabt. Aber sozusagen, wenn ich jetzt auf einem standardmäßigen Langzeitflug wäre für drei oder sechs Monate, dann ist das so, dass man regelmäßig seine Check-Ups da oben hat. Und ich weiß jetzt nicht, vielleicht jeden zweiten, dritten Tag wird halt Lunge, Puls, Blutdruck und so weiter überprüft. Und dann wird entsprechend von den Ärzten empfohlen, dass man halt gewisse Dinge anders macht, mehr macht, weniger macht, was es auch immer sein mag. Also so wird man entsprechend untersucht.
Florian Schodritz
00:05:02
Das heißt, bei Austromir war die sogenannte Telemedizin auch schon üblich?
Franz Viehböck
00:05:07
Das war auch üblich, ja klar. Wir wurden da untersucht und was wir natürlich nicht gemacht haben, ist, dass man sozusagen die Telemedizin hier ins Extremste treibt und Operationen oder sowas durchführt. Was interessant war in meiner Karriere nachher dann bei Boeing, wie ich war, auch im Weltraumbereich, wo wir dann solche Projekte dann schon gemacht haben über Satellit. Allerdings auf der Erde, nicht im Weltraum.
Florian Schodritz
00:05:39
Das heißt, einfach eine fernangeleitete Operation, höher qualifizierter Arzt leitet einen vielleicht weniger qualifizierten Arzt an.
Franz Viehböck
00:05:49
Ja, Vor allem spannend für entlegene Gegenden. Ich glaube, damals war Australien so ein Thema, wo es halt eine Tagesreise braucht bis zum nächsten Arzt oder zur nächsten Schule. Und dann sind solche Themen Standard.
Medea Thiery
00:06:10
Bevor wir zu Chefarzt Berndt Schreiner und Florian kommen, noch ein Tipp. Das rund 20-minütige Interview mit Franz Viehböck gibt es als exklusive am Berufungsort Bonusfolge. Darin spricht Florian mit ihm über seine medizinischen Experimente und seine Zeit auf der Raumstation Mir. Wir finden absolut spannend. Also nach dieser Folge unbedingt reinhören und jetzt zurück zu Bernd und Florian.
Florian Schodritz
00:06:30
Ja Berndt, das war in den 90ern und das ist glaube ich vieles, was damals quasi Raumfahrt war, ist heute bei uns hier am Boden schon ganz normaler Standardfall.
Berndt Schreiner
00:06:43
Jaja, das war ja ein Thema. Also die waren weg. Also die Ziel war ja die Mondmission und die wollten schauen, wir können euch nicht helfen. Deswegen ist ja jeder Astronaut oder auch Kosmonaut oder wie sie alle heißen aus den anderen Ländern, die sind ja verkabelt letztendlich und die Telemetriedaten, die Gesundheitsdaten, EKGs und das wird ja alles auf die Erde übertragen. Und die haben sich schon noch Gedanken gemacht, okay, was muss ich denen lernen vorher, damit sie das dann tun können alleine, wo ich ihnen nur sagen muss, okay, mach das jetzt. Wie ich vor vielen, vielen Jahren, heuer sind es 30 Jahre, im Rettungsdienst begonnen habe, waren Dinge völlig undenkbar, die heute gang und gäbe sind. Da diskutiert der Sani gar nimmer drüber, der sagt, das ist wie einatmen und ausatmen für viele. Da hat sich viel getan, auch mit der Technik und so. Und ich glaube, dass es auch noch schneller und noch weiter gehen wird. Also wir werden noch staunen, was wir noch alles erleben werden.
Florian Schodritz
00:07:41
Welche Kompetenzen braucht es dann am meisten? Ist es wirklich jetzt eine technische Fähigkeit, die hier geschult gehört oder geht es da um Kommunikation?
Berndt Schreiner
00:07:51
Ich glaube, es geht um Kommunikation. Für den Kollegen vor Ort geht es darum, wie kann ich strukturiert die Geschichte dem Telenotarzt jetzt erklären und auch zu einer Frage kommen. Wir kennen das ja noch von den alten Funkausbildungen, da hat es immer geheißen, zuerst denken, dann drücken und dann sprechen. Und nicht zuerst drücken und dann passiert lang nichts. Und dann weiß jeder, jetzt denkt er gerade und dann spricht er erst. Also man muss sich schon überlegen, was will ich von dem. Ich meine es schon zulässig, dass ich einmal sage, du, ich habe keine Ahnung. Dann rede ich mit dem zehn Minuten und sage, jetzt sind wir zwei, ich habe auch keine Ahnung. Jetzt wird es spät, ich weiß es nicht. Also so ehrlich muss man auch sein. Wir werden nicht alle Probleme der Welt lösen. Aber ich glaube, es geht darum und da versuchen wir die Leute darauf hinzudringen und das werden wir jetzt auch vermehrt machen. Wir werden das auch in die NotfallsanitäterInnen-Ausbildung fix einbauen, Telemedizin, Telenotarzt. Einfach strukturiert, meine Anfrage. Ich habe einen Patienten mit dem, dem, dem, dem. Und das einfach runterbeten. Für den Telenotarzt ist auch wichtig, strukturierte Gesprächsführung. Ich muss nämlich das Gespräch in der Hand haben und das System leiten. So wie den Einsatz, wenn ich vor Ort als Notarzt oder Notärztin bin, wo ich auch den Einsatz leiten muss, wo ich eine Struktur brauche, wo ich alle mitten in einer Teamkommunikation habe, das muss ich hier mit einer Gesprächsführung machen. Und das ist schon auch eine Herausforderung, auch vor allem, dass sie es nicht eingreifen können. Ganz egal, was ist, es muss der Sani vor Ort lösen. Ich kann nicht, ich bin weit weg.
Florian Schodritz
00:09:32
Da bin ich aber auch gleich an einem wichtigen Punkt. Wenn jetzt jemand mit der Sorge kommt, der Telenotarzt ersetzt jetzt den echten Arzt, oder anders gesagt, dann kommt ja jetzt gar kein Arzt mehr, was sagst du so jemandem?
Berndt Schreiner
00:09:46
Mein Ziel, mein persönliches Ziel und auch gerade mit diesem Projekt ist, dass wir den qualifizierten Notarzt und die Notärztin zu all den Patienten bekommen, die kritisch sind, die davon profitieren, dass eine Ärztin, ein Arzt persönlich vor Ort ist. Und damit wir die Effizienz auch haben, diese Leute dort hinzukriegen, wo wir sie brauchen, um all diese Probleme zu lösen, muss ich sie freispielen von all den Fällen, die davon profitieren, notärztliches Wissen transferiert hinzubekommen. Wo es einfach nur um eine Grundentscheidung geht, ja das EKG ist in Ordnung, und den Rest machen die Sani. Ja, du kannst das Medikament X oder Y noch geben, oder du kannst die Dosis erhöhen, oder ich helfe ihm und so weiter. Wir wissen auch von den Erfahrungen, dass viele Kolleginnen unterfordert sind. Es hat sich gewandelt. Es sind die Notarzteinsätze heute nicht mehr das, was es vor 30 Jahren war, wie ich angefangen habe, wo der NAW kam zur Reanimation, zum polytraumatisierten Patienten mit einem Verkehrsunfall und so weiter. Das sind heute schon noch Fälle, aber wir wissen, auch die Grazer haben da eine gute Untersuchung gemacht. In 20 Prozent der Fällen ist es notwendig, dass ein Notarzt oder eine Notärztin vor Ort wirklich invasiv oder aktiv wird. Den Rest sitzt, steht er, stellt Fragen, weil alles andere machen eh seine Sanis, und er braucht nichts mehr machen, sondern er muss nur sein Wissen. Und das Wissen kann ich natürlich auch hintransferieren, anders auch. Also das ist eine ganz klare Aussage von mir zu diesem Thema, und wir müssen den Weg dorthin gehen. Wir haben, wie in vielen Bereichen des Lebens, Fachkräftemangel. Wir haben eine demografische Entwicklung. Das ist alles kein Geheimnis, das ist überall nachzulesen, und dem müssen wir jetzt schon etwas entgegenstellen.
Florian Schodritz
00:11:50
Noch einmal, um das zu verdeutlichen, wo ist dann die wirkliche Grenze eines Telenotarztes?
Berndt Schreiner
00:11:55
Also wo muss man wirklich dann sagen, da ist jetzt dann wirklich die Grenze erreicht, das braucht jetzt wirklich dann auch ein Arzt vor Ort? Der Telenotarzteinsatz steht und fällt mit einem qualifizierten Personal vor Ort. Je mehr die Kolleginnen und Kollegen vor Ort können, auch in manuellen Fähigkeiten und Wissen, desto weiter kann das Spektrum gehen. Heutzutage, wir haben die Ausbildung vor einigen Jahren umgestellt, heute, wenn ein Rettungswagen vom RK Niederösterreich irgendwo hinkommt, machen die Dinge, das war vor fünf, sechs, sieben Jahren völlig undenkbar gewesen. Sie haben mittlerweile eine Routine in Diagnostik erheben, Gespräche erheben, führen, Anamnese erheben, in IV-Zugänge legen, Medikamentenverabreichung. Das ist jetzt, das hätte, also früher vor zehn Jahren, also NKV gibt es jetzt seit, also diese Venenfunktions-Rotkompetenz gibt es seit 2002, das sind jetzt über 20 Jahre. Wenn du vor 20 Jahren einen Zugang gestochen hast, dann hast du davon wochenlang beim Kaffeeautomaten erzählt. Das interessiert heute dort niemanden mehr, weil es normal ist, das ist angekommen. Und da kann man natürlich unterstützen. Vor 20 Jahren hätte ich in Niederösterreich mit dem Telenotarzt noch kein Leiberl gerissen, weil da einfach das Spiel ja nicht da gewesen wäre, auch den Unterschied zu machen. Wenn ich jetzt jemanden dort habe, der selbst einen schlecht ausgebildeten Sanitäter hat, der nicht weiß, was ich will und auch nicht in der Lage ist, Dinge umzusetzen oder vielleicht ein Medikament zu geben oder einen Zugang zu legen, dann kann ich gleich mit dem Patienten telefonieren, dann bringt das nichts. Aber da sind wir sehr weit gekommen.
Medea Thiery
00:13:40
Wir wollen an dieser Stelle auch einen Einblick in die Zukunft werfen und stellen die Frage, was kommt als nächstes? Dazu haben wir mit Monika Stickler gesprochen. Sie leitet die Abteilung für Rettungsdienst und psychologische Betreuung im österreichischen Roten Kreuz. Und sie gibt uns jetzt spannende Einblicke in die Zukunft der Teleanwendungen.
Florian Schodritz
00:13:56
Liebe Monika, du beschäftigst dich mit Zukunftsprojekten im Bereich der Teleanwendungen, nicht rein Telemedizin, sondern halt auch Teleanwendungen, also Technologieeinsatz über die Entfernung hinweg, auch in anderen Leistungsbereichen, zum Beispiel Katastrophenhilfe etc. Mit welchen Projekten hast du da konkret zu tun?
Monika Stickler
00:14:21
Also das letzte Projekt, an dem wir gearbeitet haben, war ein sehr spannendes. Da ging es um Triage-Management. Und wir alle kennen diese Personenleittaschen. Und in dem Projekt ging es darum, elektronische Devices zu entwickeln, die diese Personenleittaschen quasi ersetzen, sofort auch Vitalparameter der Patienten und Patientinnen aufnehmen und in Echtzeit an ein Dashboard weiterleiten. Das war recht spannend im Sinne von, ich habe Echtdaten, das GPS verortet. Das heißt, ich weiß, wo die Patienten liegen. Und ich habe Echtdaten darüber, welcher Triagegruppe sie angehören. Das heißt, ich kann meine Ressourcen extrem gut darauf ausrichten, ob das ausreichend ist, ob ich jemanden nachalarmieren muss und ähnliche Dinge. Also das war eine recht spannende Geschichte.
Florian Schodritz
00:15:18
Es gibt aber noch ein zweites Projekt, mit dem du dich auch befasst hast, im Bereich der Teleanwendungen. Worum geht es da?
Monika Stickler
00:15:27
Also wir haben einmal versucht, Stresslevel von Einsatzkräften zu erfassen. Weil wir halt wissen, dass es in bestimmten Situationen recht stressig ist. Und jeder, der sich mit Stress ein bisschen auskennt, weiß, dass diese fokussierte Aufmerksamkeit oft einmal zu Fehlern führt. Nämlich vor allem im Sinne von, ich nehme die Rahmenbedingungen nicht mehr wahr. Ich nehme vielleicht die Gefahren rundherum nicht mehr wahr. Und da war so eine Idee zu sagen, die Sanitäterinnen und Sanitäter kriegen ein Device umgehängt, wo dann zum Beispiel ein Alarm kommt, wenn die Herzfrequenz zu hoch ist. Oder es gibt auch solche Messgeräte, die dann die Schweißabsonderungen der Haut kontrollieren und aus diesen Parametern einen Stresslevel quasi errechnen. Und dann quasi dem Einsatzleiter sagen, du pass auf, der oder diejenige ist gerade am Limit.
Florian Schodritz
00:16:26
Da spielt natürlich gleich einmal das Thema Überwachung sozusagen auch rein. Ist das ein Thema, was man dann in diesem Projekt mitnimmt, oder ist das einfach eine Technologiedemonstration?
Monika Stickler
00:16:37
Nein, es muss beides bedacht werden. Ich kann nicht etwas entwickeln, wo dann jeder sagt, das mag ich nicht, oder ich lasse mich da nicht überwachen. Sondern das muss natürlich den ethischen Richtlinien und den datenschutzrechtlichen Richtlinien entsprechen, weil sonst hat das überhaupt keine Chance, irgendwie angewendet zu werden. Bei den Forschungsprojekten ist es ja in der Regel so, dass es auch einen Ethik-Part gibt, also eine Organisation, meistens sind es die Universitäten, die sich darum kümmern, dass diese Forschung auch ethisch korrekt abläuft. Und wenn wir zum Beispiel solche Dinge in Übungen testen, dann sind die in der Regel anonymisiert, also es werden nicht die Echtdaten der Figuranten zum Beispiel verwendet, sondern es wird anonymisiert und es geht ja nicht darum, quasi zu schauen, wie geht es dem, der da gerade liegt, im Sinne von, der ist ein Patient, sondern es geht darum, diese Dinge zu testen, ob das in der Realität überhaupt anwendbar ist.
Florian Schodritz
00:17:35
Stichwort Patienten. Wir beschäftigen uns ja mit dem Thema Telemedizin und Telenotarzt. Wo siehst du da noch die nächsten Stufen in den nächsten fünf bis zehn Jahren? <Monika Stickler>Also ich glaube, da gibt es ganz viele Möglichkeiten zur Entwicklung. Jetzt denke man nur an die Hauskrankenpflege zum Beispiel, dass die oft einmal Unterstützung brauchen würden durch eine ärztliche Beratung. Wir wissen, dass die Strukturen der niedergelassenen allgemeinen Mediziner schlechter werden. Möglicherweise kann man mit Telecare, Telemedizin da ein bisschen was abfangen. Sicher nicht alles, weil ich glaube, dass der Kontakt von Arzt zu Patient oder den medizinischen Strukturen wichtig ist. Aber Bagatellfälle, also ich habe jetzt Bauchweh oder was weiß ich, das kann man schon zumindest in einer ersten Phase gut über telemedizinische Anwendungen abklären. Das gibt es ja heute schon, dass Menschen mit, was weiß ich, Adrenalin, Herzkrankheiten oder Diabetes Langzeitbetreuung bekommen über die Telemedizin. Das macht super Sinn, weil dadurch man schon Verschlechterungen recht rasch erkennen kann und gegensteuern kann und das dann natürlich auch im Gesamtbild auch Kosten spart. Also es gibt ja viele Dinge, wo man sagt, ist das jetzt notwendig und das kostet zu viel Geld. Wenn man dann aber schaut, was es im Gesamten kostet, ist es ganz oft so, dass es eher Kosten spart, als dass es mehr kostet als vorher. Und das ist manchmal ein bisschen, wie soll ich sagen, es kostet ein bisschen Überredungskunst, auch über diese Dinge nachzudenken. Weil in der ersten Phase sieht man halt immer nur, das kostet jetzt so und so viel, dass aber am Ende doch ein Benefit herauskommt, sowohl finanziell als auch für die Patienten, wird oft übersehen.
Florian Schodritz
00:19:46
Wenn es eine Traumanwendung gibt, wo du sagst, das wäre gut, wenn die in den nächsten fünf bis zehn Jahren implementiert werden können, welcher wäre das? In der schönsten aller Welten.
Monika Stickler
00:19:58
Die Traumanwendung wäre halt, dass diese Dinge miteinander kommunizieren. Also das, was wir halt jetzt sehen im Gesundheitswesen, ist dieses zerspragelte, unterschiedliche, das fängt bei der Finanzierung aus den diversesten Töpfen an bis zu einer ELGA, wo halt nicht alle Daten drauf sind. Und wir wissen das, alle Patienten, die von einem Arzt zum anderen Pilgern Medikamente kriegen, also da gäbe es im Sinne der Digitalisierung jetzt gar nicht nur Telearzt oder Telemedizin, sondern da gäbe es schon viel Luft nach oben.
Florian Schodritz
00:20:37
Das heißt, du siehst eigentlich den Erfolgsfaktor von Teleanwendungen oder generell von Digitalisierungsmaßnahmen im Gesundheitsbereich nicht nur in der Anwendung einzelner Technologien, sondern im Zusammenspiel. Und da sind die Defizite noch zu groß.
Monika Stickler
00:20:54
Ja, also das hat natürlich mit den unterschiedlichen Stakeholdern zu tun. Und das sind wir halt in Österreich ziemlich auseinander getrifftet. Und wenn die jetzt einmal alle an einen Tisch kommen würden, also da rede ich von den Sozialversicherungen, von den Ministerien und so weiter, die Ärztekammer, also da gibt es ja ganz viele Player in diesem Bereich. Und das macht es eben schwierig, sich auf etwas zu einigen, auf einen Standard zu einigen. Aber ich glaube, das wäre so einmal, wenn diese Basis gut aufgestellt ist, können wir immer noch in unterschiedliche Dinge gehen. Aber derzeit fehlt es uns, glaube ich, auch noch an dieser gemeinsamen Basis.
Florian Schodritz
00:21:40
Was sind jetzt die bisherigen Erfahrungen aus vier Jahren Telemedizin beim Roten Kreuz Niederösterreich? Vieles hast du ja schon gesagt. Was sind für dich die Schlüsselpunkte, wo du sagst, das sind die wirklich guten Punkte aus vier Jahren?
Berndt Schreiner
00:21:54
Also was wir geschafft haben damals auch mit diesen ganzen Kritikern und so, die wir dann quasi informieren konnten. Ich möchte ja gar nicht sagen, dass man die beruhigen konnte oder ruhigstellen konnte, das war ja nicht das Ziel, jemanden ruhigzustellen, sondern einfach aufklären, informieren, war durch diesen Beirat, den wir dann quasi beendet haben, weil es wurde klar dargelegt, was wir tun, dass es sicher ist, dass datenschutzkonform, dass die Patientenrechte gewahrt sind, dass die persönlichen Rechte der Sanitäterinnen und Sanitäter gewahrt sind. Da geht es ja auch darum. Und wir haben es geschafft, das Mindset, glaube ich, zu ändern. Es geht nicht mehr darum, ob Telemedizin oder Telenotarzt kommt, sagen viele, sondern nur wann! Das ist eines der ganz, ganz großen Verdienste, die wir haben, oder großen Erfolge, die wir feiern konnten. Wir sind jetzt auch dabei, quasi hier auch den Sanitäterinnen und Sanitätern einfach diese Unterstützung zu geben.
Florian Schodritz
00:22:49
Was mir jetzt neu eingefallen ist, weil wir vorhin darüber gesprochen haben, wo sind die Grenzen für den Telenotarzt und wo braucht es einen Arzt in Präsenz, kann es vorkommen, dass tatsächlich zu einem Patienten beides im Einsatz steht?
Berndt Schreiner
00:23:04
Durchaus, durchaus. Also wir wissen, je komplexer und dynamischer der Einsatz ist vor Ort, desto schwieriger wird es für den Telenotarzt, hier wirklich einen Mehrwert zu bieten und zu unterstützen. Es kommt dann irgendwann der Punkt, und das ist ein bisschen individuell, da gibt es keine scharfe Grenze, wo man sagt, jetzt ist es schwarz, jetzt ist es weiß. Wie oft im Leben gibt es eine Grauzone, aber das ist abhängig, wie fit der Sani vor Ort ist, oder wie der Patient ist, oder es geht auch um Tagesverfassungssituationen, also es gibt diese multiple Faktoren, die da mitspielen, wo ich dann irgendwann einmal zum Störfaktor werde. Wir versuchen uns da einfach zurückzuhalten, nicht mehr einfach einzugreifen, dann muss ich es laufen lassen. Wir versuchen schon auch, gerade jetzt auch in der Aufbauphase, und ich glaube, ich bin da einer von den Extremen, ich hole extrem schnell den Neff nach und sage, bitte holt euch den NEF (Notarzteinsatzfahrzeug) nach. Warum?
Florian Schodritz
00:24:01
Das heißt, man kommt irgendwie zum Patienten, der präsentiert ein gewisses Beschwerdebild.
Berndt Schreiner
00:24:07
Genau, wenn der kritisch ist, braucht man den Arzt vor Ort. Wir versuchen das jetzt auch, bis das wirklich, wir sind noch nicht in einem Normalbetrieb, wo wir sagen, jetzt ist alles gut, wir sind immer noch im Aufbau. Wenn jeder von den Sanis einmal seine 20, 30, 40 Telenotanzeinsätze hinter sich hat, dann können wir vor dem System reden, dass das passt, dann werden wir noch Jahre brauchen, das ist ganz normal. Wir müssen schauen, dass wir bis dorthin einfach ein bisschen vorsichtiger sind. Das ist auch der Grund, warum ich vorhin gesagt habe, ich lasse rasch nachholen den NEF, damit ich nicht meinen eigenen sportlichen Ehrgeiz über das Patientenwohl stelle. Das ist mir ganz wichtig. Wir können aber sehr wohl, wenn es unerwartet kritisch ist, versuchen zu unterstützen, bis der Notarzt vor Ort eintrifft. Das ist auch eine der Stärken des Systems. Wenn man jetzt irgendwo in der Nacht, im Winter bei Nebel draufkommt und der Patient stellt sich ganz anders dar, wie vielleicht der Notruf war, dann dauert es mitunter 30 Minuten, bis ab jetzt der Notarzt bodengebunden da ist. Und wenn er halbwegs ein Telefonempfang hat, dann hat er innerhalb von 30 Sekunden, einer Minute, hat er den Telenotarzt am Ohr und der kann einem schon helfen. Das ist vielleicht auch eine Option in Zukunft für junge Notärztinnen und Notärzte, Unerfahrene, die vielleicht in Situationen das Interesse nur nicht gehabt haben. Auch die Aachener bieten das so an und die sagen, in 1 bis 5 Prozent der Einsatzfälle fragen Kollegen nach Unterstützung.
Florian Schodritz
00:25:55
Danke für diese super Einblicke in den Telenotarzt Niederösterreich. Ich glaube, da waren einige Punkte dabei, die wirklich spannend sind, für mich auch, eigentlich die Erkenntnis, dass der Telenotarzt eigentlich auch auf der Sanitäterseite mehr Kompetenz oder besseres Fachwissen braucht und ganz im Gegenteil. Man sagt, man hat da jetzt einfach einen, jemanden, der nicht viel weiß und der kriegt halt alles angesagt. Ich glaube, das ist für den einen oder anderen Hörer auch eine spannende Erkenntnis. Mir zum Beispiel hat es Spaß gemacht, das Thema weiter mit dir zu besprechen.
Berndt Schreiner
00:26:27
Ja, vielen Dank Florian, es hat mich gefreut, mit dir ein bisschen zu plaudern über das Thema.
Medea Thiery
00:26:31
Das waren die ersten beiden Folgen am Berufungsort. Von der Raumfahrt bis zur Notfallmedizin. Die Telemedizin hat eine spannende Entwicklung genommen und ist heute nicht mehr wegzudenken. Nochmals unser Tipp, in unserer Am-Berufungsort-Bonus-Folge hört ihr das komplette Interview mit Franz Viehböck über Medizin im All und was wir daraus für die Zukunft lernen können.
Florian Schodritz
00:26:50
Mein Name ist Florian Schudritz.
Medea Thiery
00:26:52
Und mein Name ist Medea Thiery.
Florian Schodritz
00:26:54
Unser Podcast ist dank euch direkt in die Spotify Top Podcast Austria Charts auf Platz 11 eingestiegen und gehört somit vom Start weg zu den besten Podcasts des Landes. Vielen herzlichen Dank für euer großes Interesse, die vielen positiven Rückmeldungen und Bewertungen. Gerne greifen wir auch eure Wunschthemen auf. Schreibt uns doch gerne an socialmediar@n.roteskreuz.at Wir würden uns riesig freuen, wenn du uns ein Kommentar oder ein paar Sterne in den Bewertungen da lässt. Das hilft uns, den Podcast für noch mehr Hörerinnen sichtbar zu machen. Wir sagen danke fürs Zuhören und bis bald.

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